Joan Baez I Am a Noise USA 2023 – 113min.

Filmkritik

Die unbekannte Bekannte

Gaby Tscharner
Filmkritik: Gaby Tscharner

Im zarten Alter von 19 Jahren feierte Joan Baez am Newport Folk Festival ihr Debüt und ist seither ein Symbol der amerikanischen Widerstandsbewegung der 60er Jahre. Dieser Dokumentarfilm zeigt jedoch nicht nur die Karriere des Folk-Superstars, vielmehr präsentiert er eine verletzliche, private und oft unbekannte Seite der Hippie-Ikone.

Die Stationen der Karriere von Joan Baez sind historische Meilensteine. Im Jahr 1963 trat sie bei dem March on Washington auf, wo auch Martin Luther King Jr. seine «I Have a Dream» Rede hielt. Sie hatte eine Beziehung mit Bob Dylan und 1975 veröffentlichte sie mit «Diamonds and Rust» ihr Meisterwerk von einem Album. Im Film «Joan Baez I am a Noise» spricht die Künstlerin nicht nur über die Höhepunkte ihrer Karriere, sondern auch über ihre Angst, Depression, Einsamkeit und die über Jahrzehnte unterdrückten Erinnerungen an ihren Vater.

So wie das Leben von Joan Baez, ist auch dieser Dokumentarfilm mit monumentalen Meilensteinen vollgepackt. Unter der Regie von Maeve O'Boyle, Miri Navasky und Karen O'Connor wird die fast 60-jährige Karriere mit grossartigen Interviews und Unmengen von Archivmaterial zusammengefasst. Die Sängerin öffnet für den Film das von ihrer verstorbenen Mutter erstellte private Archiv voller Fotos, Videos, Audioaufnahmen, Briefen, Zeichnungen und sogar Aufnahmen von Therapiesitzungen.

Baez erzählt herzergreifend, wie sie wegen ihrer mexikanischen Abstammung als Kind ständig gemobbt und als dumme Mexikanerin beschimpft wurde. Panikattacken und Minderwertigkeitsgefühle plagten sie ihr ganzes Leben lang. Am Schluss spricht Baez über die sexuellen Übergriffe ihres Vaters, die sie vor dem Tod ihrer Eltern kaum aufzubringen wagte. Der Film zeigt ein sehr ungeschliffenes Porträt der legendären Sängerin und Songwriterin, für das Baez viel Mut und Gewissenserforschung benötigte. Ihre Fans und Zuschauer:innen können davon nur profitieren.

28.12.2023

4

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Kommentare

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thomasmarkus

vor 10 Monaten

Vorbemerkung: Kinosaal voll wie selten. Viele eine Generation vor mir.
Zu hören an den Handyanrufen - und dass nicht alle hörten, wenn ihr smartphone klingelte...
Die Cineman-Filmkritik hat drauf hingewiesen, dass das Kasetten-Tonmaterial von der Mutter stammte -
ich hätte das verpasst, und der Sängerin angedichtet.
Sehr intim, manchmal fast zu intim. Ob der sexuelle Übergiff stattgefunden hat, scheint mir nicht so klar.
Erinnerungen, sagt JB selber zu Beginn, sind oft (re)konstruiert.
Spannend die historischen Aufnahmen, grad auch mit Bob Dylon. Manche Leute kennt meine Generation nicht mehr so, als jung waren...Mehr anzeigen


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