Emmanuelle Frankreich 2023 – 105min.

Filmkritik

Rückkehr einer Ikone der sexuellen Befreiung

Filmkritik: Marine Guillain

Die von Audrey Diwan inszenierte Neuauflage «Emmanuelle» beleuchtet den berühmten Mythos neu, mit einer Noémie Merlant in der Hauptrolle, die auf der Suche nach einer verlorenen Lust ist.

Emmanuelle (Noémie Merlant) fliegt nach Hongkong – eine Stadt, von der wir nichts sehen werden, da sich die Geschichte fast ausschliesslich innerhalb von geschlossenen Räumen abspielt. Die junge Frau arbeitet in der Qualitätskontrolle des Unternehmens, dem der Rosefield Palace gehört, und muss dafür sorgen, dass die Gäste ein optimales Erlebnis haben. Emmanuelle wandert zwischen den Kulissen des Luxushotels, den Hinterzimmern und der Öffentlichkeit hin und her und vergnügt sich mit einigen Verführungsspielen und sinnlichen Freuden, obwohl sie keine grosse Befriedigung daraus zu ziehen scheint. In tiefer Einsamkeit verankert, tauscht sie sich mit der Chefin des Hauses (Naomi Watts), einer jungen Escort-Dame und einem Kunden aus, für den sie eine gewisse Obsession entwickelt.

Diese Neuauflage, die auf der Figur des Buches von Emmanuelle Arsan basiert, erscheint genau 50 Jahre nach dem Film, der 1974 einen Skandal verursachte. Unter der Regie von Just Jaeckin und mit Sylvia Kristel in der Hauptrolle war dieser ebenso verpönte wie kultige Film ein Triumph, der elf Jahre lang in den Kinos zu sehen war. Abgesehen von der ersten und der letzten Szene ist die neue Version von «Emmanuelle» völlig anders als die bisherigen Werke. Erotisch? Kaum. Schweisstreibend? Absolut nicht. Audrey Diwan (die für «L'Événement» den Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen von Venedig 2021 gewann und Co-Autorin von «L'amour et les forêts», «Pas de vagues» und «L'amour ouf» war) will eine psychologische Reflexion über das weibliche Begehren anstellen.

«In unserer Zeit scheint es mir, dass der Genuss völlig mit dem Leistungsimperativ im kapitalistischen Sinne verbunden ist», erklärt sie. «Man muss rentabel sein, optimieren, profitieren. In einer Gesellschaft, die von gewalttätigen pornografischen Bildern verschlungen wird, die alles sagen und alles zeigen wollen, habe ich mich gefragt, ob es einen erotischen Film geben kann und was ihn interessant machen würde.» So vielversprechend diese Prämisse auch ist, ihre Umsetzung bleibt leider hinter den Erwartungen zurück.

Die weibliche und feministische Dimension und die Frau als Subjekt statt als Objekt, als Herrin ihrer selbst, ihrer Entscheidungen und ihrer Wünsche, ist begrüssenswert. Die melancholische Heldin ist der Normen und der Monotonie offensichtlich überdrüssig und sucht einen Weg zum Genuss, zu Gefühlen und zur Intensität. Das Problem ist, dass ihre Langeweile ansteckend ist. Die Geschichte wird so unterkühlt dargestellt, dass die Problematik völlig untergeht.

Wie Emmanuelle ist es unmöglich, angesichts dieses unpersönlichen Films auch nur den geringsten Hauch eines Gefühls zu empfinden. Die nervige Musik und die Kameraeinstellungen, die sich an der Oberfläche, dem Äusseren der Menschen und Orte aufhalten, lassen einen kalt. Wie kann ein Film, der das dreifache Talent und die dreifache Intelligenz von Audrey Diwan, Rebecca Zlotowski (Drehbuch) und Noémie Merlant in sich vereint, so seelenlos sein? Dieses Geheimnis bleibt wohl ungelöst.

23.09.2024

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Kommentare

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CineMani

vor einem Monat

Viel inhaltlich-durchgestylter Luxushotel-Leerlauf, aber immerhin die drei Erotikszenen (Flying High, bi-courious, MFM) funzen.


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