CH.FILM

Zu Fuss nach Santiago de Compostela Polen, Schweiz 2007 – 95min.

Filmkritik

Wanderer, kommst Du nach Santiago...

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Der Bündner Roman Weishaupt machte sich auf den Weg nach Santiago de Compostela, nach Finesterra in Spanien. Er nahm die 2300 Kilometer des Jakobswegs unter die Füsse. Der Dokumentarfilmer Bruno Moll hat ihn auf verschiedenen Abschnitten begleitet.

Jakobus, ein Jünger Jesu, soll 44 n. Chr. enthauptet worden sein. Sein Leichnam wurde, so erzählt die Legende, nach Galizien gebracht und in Santiago de Compostela begraben. Nach der wundersamen Entdeckung des Grabes setzte im 9. Jahrhundert ein Pilgerstrom ein. Zahlreiche Routen überziehen seither Europa. Nachdem der spanische Diktator Franco den Heiligen Jakobus für seine faschistischen Zwecke missbraucht hatte, verebbte das Interesse am Jakobsweg, bis der Jakobsweg vor zwanzig Jahren vom Europarat zum europäischen Kulturweg erklärte wurde. Eine ungeahnte Renaissance setzte seither ein. Allein im Jahr 2005 sollen rund 94'000 (beurkundete) Pilger nach Santiago de Compostela geströmt sein, 2006 gar 100'000.

Viele Wege führen nach Rom und viele nach Santiago de Compostela. Einer der Jakobs-Wanderer war auch Harpe Kerkeling, der mit seinem Buch ("Ich bin dann mal weg") im letzten Jahr einen Mega-Bestseller landete. Ein anderer der Rätoromane Roman Weishaupt. Er hatte seine Ausbildung als Theaterpädagoge im Juli 2006 beendet und wusste nicht recht, wohin er sich wenden sollte. Er beschloss, den berühmten Jakobsweg unter die Füsse zu nehmen. Via Wallis und Welschland wandert Weishaupt gen Westen Richtung Spanien. 2300 Kilometer lagen vor ihm. Der Pilger ohne religiöse Ambitionen wollte bisweilen den Bettel hinschmeissen - und biss sich dann durch.

Doch nicht die Befindlichkeiten des Wanderers sind das Thema dieses gemächlichen Roadmovies von Bruno Moll ("Die Tunisreise"), sondern der Weg und die Begegnungen bis Santiago. «Wanderer, es sind deine Spuren, der Weg, und nichts weiter. Wanderer, es gibt keinen Weg; man erschafft den Weg im Gehen. Im Gehen erschafft man den Weg, und wenn man den Blick zurückwendet, sieht man den Pfad, den man nie wieder zu gehen haben wird», dichtete Antonio Machado. In einem filmischen Tagebuch hält Weishaupt seine Eindrücke, Emotionen, Überlegungen fest. Raum zum Philosophieren und Meditieren für Momente der Besinnung und Erfahrungen. Warum tut man sich das an? Diese Blasen, das Suchen nach einer Herberge, diesen Kulttourismus mit Jakobsmuschel und Pilgerpass? Und dann stellt der Bündner erstaunt fest: "Ich werde immer mehr zum Pilger."

Der Film, eine Gratwanderung zwischen Reflexion und Realität, beschreibt eine persönliche Erkundung und Wertschöpfung. Man erlebt erheiternde Begegnungen mit Wanzen und Wirtsleuten, Frust und Freude, Pilgerpassanten und alltägliche Unzulänglichkeiten, hautnah fotografiert vom Wanderer Weishaupt selbst und vom Filmer Moll. Der hat seinen Protagonisten an 30 von insgesamt 80 Tagen begleitet. Die Wandererbilder laden zur Musse, zur Einkehr ein. Der Film lässt Zeit zum Schauen, Erbauen, Erfahren. Wohltuende Impressionen gegen Hektik, Geschwätzigkeit und Flüchtigkeit. Am Ende steht die Erkenntnis des Wanderers, der nach Santiago kam: «Das Weggehen war ein grosser Schritt. Und am Ende nehme ich alles so, wie es kommt. Man muss mit offenen Augen empfangen.»

05.05.2008

4

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Kommentare

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summerfield

vor 16 Jahren

Ich hatte hohe Erwartungen an diesen Film, da mich das Thema sehr interessiert.
Umso grösser war die Enttäuschung als ich den Film sah, die Kommentare waren oberflächlich, langweilig und auf postpubertärem Niveau. Die Reise erinnert eher an einen Interrailtrip als an eine tiefsinnige Pilgerreise.Mehr anzeigen


raffi44

vor 16 Jahren

ich fand den Film genügend.


manobi

vor 17 Jahren

.... kam mir der Film vor. Obwohl ich selber den Weg noch nie gemacht habe, stellte ich ihn mir etwas 'herrlicher' vor. Es hat mir sehr gut gefallen, zu sehen, wie sich der 'Alltag' auf der Pilgerreise zeigte. Muss mir eine solche Reise wohl nochmals überleben; -)


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