Der Schnee am Kilimandscharo Frankreich 2011 – 90min.

Filmkritik

Verrat, Wut und Versöhnung

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Ein Gewerkschaftsmann schont sich nicht und solidarisiert sich mit den Hafenarbeitern, denen gekündigt wird. Sein Leben gerät jedoch aus den Fugen, als er, seine Frau und seine Freunde beraubt werden. Ein französisches Drama über Solidarität, Wut, Rache und Barmherzigkeit.

Schauplatz Marseille. Hafenarbeiter werden auf die Strasse gestellt. Gewerkschafter Michel (Jean-Pierre Darroussin) nimmt sich nicht aus und setzt sich selber auf die Kündigungsliste. Beruflich läuft's schlecht, privat ist alles im Lot mit Ehefrau Marie-Claire (Ariane Ascaride) und den erwachsenen Kindern, bis ein gemütlicher Abend mit Raoul (Gérard Meylan) und Denise (Maryline Canto) jäh unterbrochen wird. Zwei junge maskierte Burschen dringen ein, fesseln die beiden Paare und rauben sie aus. Der Schock sitzt tief, besonders bei Denise.

Raoul schäumt vor Wut und Ohnmacht. Warum gerade sie? Durch Zufall kommt Michel dahinter, wer am Raubüberfall beteiligt war: Christophe (Grégoire Leprince-Ringuet), der ebenfalls arbeitslos ist und für seine jüngeren Brüder sorgen muss. Michel informiert die Polizei, die Christophe daraufhin verhaftet. Als Michel jedoch von den sozialen Umständen des jungen Räubers erfährt, bereut er sein Tun. Ihn plagt sein Gewissen. Er möchte seine Anzeige am liebsten zurücknehmen und stösst beim Kollegen Raoul auf völliges Unverständnis.

Man spürt von Anfang an, dass Regisseur Robert Guédiguian, ein überzeugter Kommunist, mit der Gewerkschaftsszene sympathisiert. Ein Heimspiel, denn Guédiguian, deutsch-armenischer Abstammung, ist in Marseille zuhause, auch wenn er seit 30 Jahren in Paris lebt. Er ist ein Klassenkämpfer, der 1980 aus der Kommunistischen Partei ausgetreten ist (wegen der "strategischen Ausrichtung") und über François Mitterand einen Film gedreht hat (Le Promeneur du Champ de Mars).

Der soziale Hintergrund: Die Gewerkschaft CGT ist in Marseille mächtig und gegenwärtig, konnte aber letztlich den Niedergang der Hafenstadt und ihrer Arbeiter nicht verhindern. Guédiguians Film spielt hauptsächlich im persönlichen und privaten Bereich und erweist sich als ein etwas naives, am Ende schön gefärbtes Plädoyer für Solidarität, Sozialität und Versöhnung. Ausgehend von einer knallharten realen Situation in Marseille, entpuppt sich das Drama am Ende als Sozialmärchen. Anders als bei Aki Kaurismäki, mit dem sich Guédiguian seelenverwandt fühlt, kommt seine Geschichte von Liebe und Mitleid, Vergeltung und Versöhnung sehr betulich und harmoniebedürftig daher.

07.05.2024

3

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Kommentare

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tluethi

vor 12 Jahren

Sehenswert trotz dem kitschigen Schluss.


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